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16.01.2024

Generation mühsam? 3 Hypothesen für Lehrlingsausbildung im Jahr 2024

Die Komplexität der (Arbeits-)Welt fordert auch Ausbildungsbetriebe heraus, sich den aktuellen Herausforderungen zu stellen. Hypothesen für eine gelungene Lehrlingsausbildung im Jahr 2024.

Einleitung

Das Modell der Lehrlingsausbildung – der dualen Ausbildung – ist ein österreichisches Erfolgsmodell. Junge Menschen haben in dieser Ausbildungsform die Möglichkeit, neben der theoretischen Berufsschulbildung eine fundierte praktische Ausbildung im auserwählten Wunschberuf zu absolvieren. International beachtet verbindet Lehrlingsausbildung Theorie und Praxis in hervorragender Weise und ist ein maßgeblicher Baustein der österreichischen Wirtschaft – einerseits. Andererseits ist Lehrlingsausbildung immer noch ein teilweise belächelter, strategisch wenig(er) Beachtung findender Ausbildungsweg in Unternehmen, von den potenziellen Bewerber:innen oftmals auch nur als Bildungsangebot der zweiten Wahl wahrgenommen. Warum ist das so?  

Erfolgreiche Lehrlingsausbildung ist ein Marathon – kein Sprint

Der Lehrlingsausbildung kommt in vielen Unternehmen nicht der gebührende Stellenwert zu. Das mag wohl daran liegen, dass es sich in den Augen der Wirtschaft noch nicht um „vollwertige“ Mitarbeiter:innen handelt. Jugendliche auszubilden, erfordert einen hohen organisatorischen Aufwand, viele Auflagen sind einzuhalten. Und es gibt keine Garantie, dass das Ausbildungsverhältnis zu einem positiven Ende kommt. Die Ausbilder:innen und Führungskräfte sind nicht nur fachlich gefordert, sondern vor allem auch in der Beziehungsgestaltung mit den Lehrlingen. Langer Atem ist gefragt, kurzfristige Erträge sind kaum zu erwarten.

Die Bewerber:innenstruktur hat sich verändert – Lehrlingsausbildung unter Druck

Neben der demografischen Veränderung unserer Gesellschaft führen auch andere gesellschaftliche, wirtschaftliche und politische Krisen zu einer Veränderung der Bewerber:innenstruktur. Die Anzahl der Interessenten geht signifikant zurück. Und manche derjenigen, die sich für eine Bewerbung entscheiden, starten mit großem Selbstbewusstsein, hinterfragen alles oder bringen Defizite mit. Alle diese Themen stellen hohe Anforderungen an den Ausbildungsbetrieb. Es braucht daher neue Konzepte, Herangehensweisen und auch eine Reflexion darüber, wie jungen Menschen in einem Unternehmen begegnet wird, was diese erwarten und welche Veränderungen dies auf Ausbildungskonzepte und bewährte Vorgehensweisen hat.

Aber mal unter uns: Was ist denn los mit der Jugend von heute?

Jeder von uns wurde in seiner Generation durch kulturelle, historische und individuelle Konstellationen geprägt. Dieser Rahmen für die Generationen Z und Alpha  unterscheidet sich deutlich von früheren Generationen. Jugendliche von heute bewegen sich in einer Welt voller Möglichkeiten. Diese Vielfalt ist prinzipiell zu begrüßen. Allerdings kann sie auch Druck und Stress erzeugen. Woher weiß denn ein Jugendlicher heutzutage, ob die Firma X wirklich die beste Entscheidung ist? Was, wenn nicht? Das Sprichwort der „Qual der Wahl“ beschreibt das Dilemma sehr gut.

Ein weiterer Aspekt ist, dass jungen Menschen einfach das Training im analogen Raum fehlt. Wie viele Studien zeigen, nimmt die Zeit, in der sich Jugendliche mit dem Smartphone im digitalen Raum beschäftigen, immer noch zu. Damit geht aber auch das Fehlen von Zeit im analogen Raum einher. Aber dort spielen sich soziale Kontakte, einfache Tätigkeiten wie Telefonieren oder der Umgang mit Kunden ab. Hierfür braucht es mehr Zeit, Bewusstsein und Begleitung. Dies ist einzuplanen.

Ist also Hopfen und Malz verloren?

Keinesfalls. Lehrlingsausbildung wirkt gegen Mitarbeiter:innenmangel: In meinem Unternehmen zum Beispiel. Rund 75% der Lehrlinge sind auch 10 Jahre nach Ende ihrer Ausbildung noch im Unternehmen. 90% unserer Führungskräfte im Produktionsbereich sind ehemalige Lehrlinge, die nun an vorderster Stelle zum Unternehmenserfolg beitragen. Ich sehe ehemalige Lehrlinge, die mit ihrer Fachkompetenz und Leidenschaft Produktinnovationen vorangetrieben und die technische Anlagen signifikant verbessert haben. Doch der Weg zu diesen Erfolgen ist aufwändiger geworden.

Aber was tun – lassen Sie mich dazu drei Hypothesen mit Ihnen teilen:

Hypothese 1: Wir selbst haben die Prägung der Generationen Z und α in der Hand und auch die Hebel dazu

Oft hört man, die jungen Menschen von heute hätten nicht mehr die Qualitäten älterer Generationen. Lasch, orientierungslos, unentschieden, egoistisch... ja, all dies sind Zuschreibungen, die auf einzelne Personen oder auch ganze Generationen junger Menschen angewendet werden. Das muss aber nicht stimmen.

Die Prägung eines Menschen erfolgt bis ca. zum 25. Lebensjahr, die berufliche Sozialisation rund 10 Jahre. Allgemeine gesellschaftliche Rahmenbedingungen, Erziehungsstile, wirtschaftliche oder politische Systeme, aber vor allem persönliche Erfahrungen prägen unseren Blick auf die Welt. Dazu gehört selbstverständlich auch der Arbeitsplatz. Wer von uns erinnert sich nicht an den ersten Arbeitstag?

Ausbildungsunternehmen haben einen maßgeblichen Anteil (nicht die alleinige Verantwortung) an der Entwicklung der Arbeitshaltung ganzer Generationen. Gute Erfahrungen führen zu Mitarbeiter:innen mit Selbstbewusstsein, Neugier und Proaktivität. Schlechte erste Erfahrungen führen zu Angst, Frustration und schlechten Leistungen.

Was es braucht: Reflexion darüber, was wir von den Lehrlingen erwarten, welche Menschen wir in diesem Bereich einsetzen und welche bestehenden Ziele, Strukturen und Unternehmenskultur das gewünschte Verhalten unterstützen oder verhindern. Frei nach dem Motto: „Wie man in den Wald hineinschreit, so kommt es zurück“ .

Hypothese 2: Unternehmen müssen jungen Menschen die Sicherheit geben, dass sie mit ihrer Entscheidung ein erfolgreiches Leben führen können

Aber eine Frage ist für die Lehrlinge zentral: Werde ich als Erwachsener mein Leben so bewältigen können, dass ich möglichst viele meiner Wünsche, Erwartungen und Pläne umsetzen kann? In krisenhaften Zeiten ist dies eine Mammutaufgabe. Meiner Erfahrung nach ist es hilfreich, Ideen und Inspiration zu haben, wie das eigene Leben einmal ausschauen kann.

Was es daher braucht: Vorbilder, exemplarische Lebens- und Karrierewege von Mitarbeiter:innen, die den Lehrlingen eine Vision erzeugen, wie das Leben erfolgreich gestaltet werden kann und damit Sicherheit vermitteln in unsicheren Zeiten.

Hypothese 3: Es ist gut, wenn junge Menschen klar kommunizieren - Forderungen sind versteckter Vertrauensvorschuss

„Ich will aber nicht zu viel arbeiten!“.. „Aber Überstunden mache ich keine!“... Kommt Ihnen das bekannt vor?

Nach mehr als 13 Jahren im Recruiting von Lehrlingen könnte ich ganze Bücher mit Aussprüchen aus Bewerbungsgesprächen füllen. Manche davon sind witzig, originell, aber manche wirken anmaßend und ungeschickt. Manchmal frage ich mich, was ist passiert mit der „noblen Zurückhaltung“ und „Unterwürfigkeit“ in Bewerbungsgesprächen früherer Zeiten?

Eine Tendenz nehme ich aber wahr: Die Jugend trägt ihr Herz auf der Zunge, die Selbstsicherheit ist gestiegen.  Dieses Aussprechen von Erwartungen – diese „Forderungen“ – haben mich zunächst massiv irritiert. Doch ich habe das bald als Chance begriffen. Wir als Arbeitgeber:in, Ausbilder:in oder Führungskräfte erhalten dadurch ein Instrument in die Hand, um unsere Prozesse und Systeme im Austausch mit den jungen Menschen weiterzuentwickeln. Es ist ein enormer Vertrauensvorsprung, wenn junge Menschen ganz klar sagen, was sie möchten. Das sollten wir nutzen.

Conclusio

Junge Menschen – die Generationen Z und α bringen neue Sichtweisen in die Arbeitswelt ein. Ist das für uns mühsam? Hier ein ganz klares Ja. Ist es manchmal schwer, Verständnis für diese Dinge aufzubringen? Nochmal ein klares Ja. Aber ist es die Mühe wert? Ja, ja, ja und nochmal ja.

Über die Autorin

Patricia Pfarrhofer

Leiterin Ausbildungszentrum LAT Nitrogen

Als Leiterin des Ausbildungszentrum bei LAT Nitrogen verantwortet Patricia Pfarrhofer betriebliche Aus- und Weiterbildung mit einem Schwerpunkt auf Lehrlingsausbildung und Generationenmanagement. Besonderes Augenmerk und Expertise legt sie auf die Zusammenarbeit verschiedener Generationen im Unternehmen. 

Blog-Serie: Strategische Ansätze zur Auflösung von Personalengpässen

In Zeiten, in denen Personalengpässe zunehmend zum unternehmenskritischen Problem avancieren, sind strategische Ansätze zur Lösung dieser Herausforderung von höchster Bedeutung. In unserer Themenserie beleuchten wir in den nächsten Wochen und Monaten verschiedene Schlüsselaspekte, die Unternehmen in Angriff nehmen können, um dem Mangel an qualifizierten Mitarbeitern entgegenzuwirken.

Wir werfen einen Blick auf die Bedeutung einer flexiblen Unternehmens- und Führungskultur sowie einer ganzheitlichen Unternehmens- und Personalstrategie. Darüber hinaus werden die Rolle der Organisation, Prozesse und Outsourcing, sowie die Integration von Tools, Digitalisierung und Flexibilisierung diskutiert. Potenziale identifizieren, gezielt positionieren und weiterentwickeln, umfassen einen weiteren zentralen Punkt. Dabei werden flexible, gut ausgebildete und vielseitig einsetzbare Mitarbeiter und „Schätze“ wie Lehrlinge, Schulabbrecher, Azubis 50+, Global Talents, Pensionisten und die Integration beeinträchtigter Personen in den Fokus gerückt. Abgerundet wird die Serie durch einen Blick auf Smart & Professional Recruitment sowie die Bedeutung von Employer Branding und Personalmarketing in diesem vitalen Kontext.

Bildquellen
Template Microsoft 365, LAT Nitrogen

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