Wie verändern New Ways of Work unser Arbeitsleben?
Gastautor Benedikt Neumayer beschäftigt sich mit der Frage, wie wir in der Zukunft Arbeit definieren und wie wir damit umgehen.
Digitalisierung, Postwachstumsbewegungen und nicht zuletzt die Pandemie unterziehen unser Verständnis von Arbeit einem grundlegenden Wandel. Die Grenzen zwischen Leben und Arbeiten verschwimmen im Alltag, doch auf produktive Weise oder zum Schaden für Arbeitnehmer und -geber? Wie definieren wir in Zukunft Arbeit und damit New Ways of Work überhaupt?
Nicht erst seit Beginn der Covid-Pandemie, aber durch diese noch an Geschwindigkeit gewonnen, verändert sich die Arbeitswelt. Die im Industriezeitalter groß gewordene rationale Leistungsgesellschaft mit Überstunden, Konkurrenzkampf und Präsenzzeiten mag zwar derzeit noch vorherrschen, aber die anstehenden Pensionierungswellen unter Babyboomern und die beginnende Generation Y wird den bereits eingeleiteten Umbruch für alle sichtbar machen. Das Leistungsdenken zeigt sich immer weniger als zukunftsfähig, New-Work-Modelle legen rasant zu. Der krisenbedingte Digitalisierungsschub fördert dabei neue Arbeitsstrukturen, die von Schlagworten wie Work-Life-Blending, Kollaboration und Remote Work geprägt sind (ich entschuldige mich gleich an dieser Stelle für die Vielzahl an Anglizismen, die dem geneigten Leser in diesem Artikel entgegenfliegen, der Themenkomplex macht eine Nutzung dieser aber notwendig). Damit einher geht eine Veränderung von Unternehmenskulturen, nicht nur flach organisierte Firmen werden agiler und adaptiver, auch bei „altehrwürdigen Unternehmen“ und selbst in der Verwaltung ist der Wandel unübersehbar.
Doch was genau sind diese ominösen „Neuen Arbeitswege“? Und wie realistisch ist es, dass sich diese dauerhaft durchsetzen? Die zweite Frage lässt sich ohne Kaffeesudleserei nicht beantworten. Gerade die vergangenen Jahre haben gezeigt, wie schnelllebig Trends und Entwicklungen sind. Was heute state of the art ist, kann morgen schon wieder auf dem Müllhaufen der Geschichte zu finden sein. Daher werde auch ich mich mit dogmatischen Behauptungen zurückhalten und stattdessen aus dem großen Kreis an Arbeitsthemen auf vier (in Forschung und Wirtschaft derzeit kursierende) Thesen zu „New Work“ eingehen:
New Ways of Work rückt die Frage nach dem Sinn in den Mittelpunkt.
Welche dringenden Probleme und welche Zukunftsaufgaben können von uns angebotene Produkte oder Dienstleistungen lösen? Das ist die Sinnfrage, die sich jedes zukunftsfähige Unternehmen stellt. Diese zahlt auch auf die Corporate Culture eines Unternehmens ein, die für das Unternehmensimage immer wichtiger wird: Denn nur, wer diese Frage beantworten kann, der schafft ein attraktives Arbeitsumfeld für die wachsende sinnsuchende Arbeitnehmerschaft. Neue auf den Arbeitsmarkt strömende Arbeitskräfte suchen nicht nach überdurchschnittlichen Verdienstmöglichkeiten oder einer vorgeplanten großen Karriere. Sie wollen ihre Arbeit als sinnstiftend wahrnehmen und als gewinnbringenden Teil ihres Lebens sehen.
Das Lösen von Zukunftsaufgaben bestimmt das Tun und stiftet einen neuen Sinn von Arbeit. Das Leben wird heute nicht mehr so stark in Arbeit und Freizeit unterteilt, sondern im Ganzen als die Summe aller Tätigkeiten betrachtet – ganz gleich, ob bezahlt oder ehrenamtlich, ob sie aus Interesse, Pflicht oder Freude an der Sache verrichtet werden. Das hängt auch mit einem neuen Blick auf den Stellenwert und Zweck des Wirtschaftens zusammen: Insbesondere die jungen Generationen (Generation Y und Generation Z) vermeinen zu erkennen, dass das bislang Lebenssinn gebende Versprechen vom ewigen Wirtschaftswachstum nicht erfüllt werden kann, wenn dabei die Lebensgrundlage aller – der Planet Erde und dessen Ressourcen – nicht nachhaltig bewirtschaftet wird.
Die 30-Stunden-Woche als das neue Vollzeit-Arbeiten.
Skandinavische Länder leben in Sachen Arbeitszeit schon heute das mögliche Arbeitsideal der Zukunft: Weniger ist mehr. Arbeitszeit wird immer mehr nicht als Wochenkontinuum verstanden, sondern als flexibles Kontingent, das sich individuellen Situationen und Lebensphasen anpassen kann. Das ist unmittelbare Konsequenz der oben schon angesprochenen Verschmelzung von Arbeit und Freizeit. Noch immer nimmt Arbeit einen Großteil der Tageszeit ein, aber eben flexibel gestaltet und auf die sonstigen Bedürfnisse wie Sport, Weiterbildung, Familie, etc. abgestimmt. Diesen Trend merken wir schon jetzt, immer mehr Bewerber aller Bildungsschichten legen Wert auf (noch so benannte) Teilzeitbeschäftigungen. Fragen nach der Arbeitszeit sind höher gewichtet als Fragen nach Gehalt und Aufstiegschancen. Auch Experimente wie die Vier-Tage-Woche bei gleichem Verdienst oder lange Durchrechenzeiträume bei der Arbeitszeit befeuern diesen Trend und werden in Zukunft Regel statt Ausnahme werden.
Das Büro ist nicht tot, aber Remote Work macht das Büro attraktiv(er).
Nicht nur das Thema Arbeitszeit, auch der Ort der Arbeit ist im radikalen Wandel begriffen. Die Covid-Pandemie hat gezeigt: Remote Work (also das Arbeiten von anderen Lokalitäten als dem eigenen Büro) ist ein wichtiger Bestandteil von New Work – und funktioniert in den meisten Bereichen. Während sich viele Arbeitnehmende während der Krisenzeit im Homeoffice befanden, bangten die Chefs um die Produktivität ihrer Arbeitskräfte. Ob VanOffice, Café oder Büro in fernen Gefilden: Remote Work erlaubt es, fokussiert dort zu arbeiten, wo man einen Teil seiner Freizeit verbringen möchte. Während Remote Work von Phasen intensiven, konzentrierten Arbeitens geprägt ist, wandelt sich das Büro der Zukunft zu einem Arbeitsort kreativer gemeinsamer Schaffensprozesse und Co-Working. Man braucht es als Zusammenkunft für reale zwischenmenschliche Treffen und als sozialen Bezugspunkt. Darum geht der Trend weg von klassischen Büros mit Schreibtisch, PC und Telefon, hin zu offenen Bürostrukturen ohne fixen Arbeitsplatz, dafür mit Lounge Bereichen, Kreativräumen und Begegnungszonen. Das Büro der Zukunft ist der Ort, an dem Unternehmenswerte gelebt werden. Es wird damit zur Kulturmeile der Unternehmen, entsprechend angehalten sind diese, hier zu investieren.
Work-Life-Blending ersetzt Work-Life-Balance.
Die ewige Suche nach der Balance zwischen Arbeit und Freizeit war schon in der Vergangenheit konfliktbehaftet, denn irgendwas kommt bekanntlich immer zu kurz. Arbeitnehmer sehnen sich heutzutage - wie wir nun wissen - nach Modellen, die Beruf und Freizeit harmonisch ineinandergreifen lassen. Statt einer perfekten Aufteilung der Zeit zwischen Job und Freizeit heißt das neue Lebensmotto „Work-Life-Blending“: Ein fließender Übergang zwischen Arbeits- und Privatleben ermöglicht den Arbeitnehmern, flexibel auf private Umstände zu reagieren, selbstbestimmt zu arbeiten und damit oft auch produktiver zu agieren. Das schafft mehr Entspannung auf Arbeitnehmerseite und mehr Lebensqualität. Denn wo die Grenze zwischen Arbeits- und Privatleben verschwindet, können persönliche Bedürfnisse im Tagesverlauf besser berücksichtigt werden.
Nun kann man über all diese Themen trefflich diskutieren. Forschenden wie der Wirtschaft ist bewusst, dass nicht jeder Arbeitende „remote“ arbeiten kann und möchte. Auch wird der pekuniäre Aspekt künftig eine Rolle spielen, aber eben zu einem Gutteil in jenem Bereich, den man zum guten Leben braucht, und weniger darüber hinaus. Und wenn uns schon die vergangenen Jahre und der Ausblick in die nahe Zukunft eines zeigen, dann, dass die Möglichkeiten der digitalen Transformation immer einschneidende Veränderungen in unseren Arbeitswelten Realität werden lassen.
Wir arbeiten schon ganz anders als es unsere Väter und Großväter getan haben. Und unsere Kinder werden garantiert ganz andere Zugänge zu Arbeit, Freizeit und Leben in seiner Gesamtheit finden, als sich das die derzeit noch prägende Generation vorzustellen vermag.
Über den Autor
Benedikt Neumayer ist Leiter Digitale Medien und Servicestellen im Bundesministerium für Arbeit und Wirtschaft. Im Rahmen seines Masterstudiums „Digitalisierung, Politik, Kommunikation“ beschäftigt er sich intensiv mit Zukunftstrends und Auswirkungen der digitalen Transformation.
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