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09.04.2024

Mobile Work als juristische Herausforderung

Im neuesten Artikel unserer Serie beschäftigt sich Univ.-Prof. Dr. Reinhard Resch mit den juristischen Facetten mobiler Arbeit.

Vom Homeoffice zu Workation

Mobiles Arbeiten und Homeoffice ermöglichen, der Arbeit außerhalb des angestammten betrieblichen Arbeitsplatzes nachzugehen. Vor allem während der Coronapandemie waren diese Arbeitsformen in der Praxis weit verbreitet. Freilich war es der Pandemiesituation geschuldet, dass man diese Formen von mobile work typischerweise von zu Hause aus erbrachte. Demgegenüber gibt es natürlich auch andere Formen von mobile work. Beim Arbeiten unter dem neuen Begriff „workation“ geht es darum, dass mobile work nicht von zuhause aus erbracht werden soll, sondern idealerweise an einer klassischen Urlaubsdestination. Der Ort der Arbeitsleistung soll zugleich auch mit seinen Vorzügen als Urlaubsdestination dem Arbeitnehmer Freude bereiten.

So viel sei schon gesagt: Weil bei workation eine klare rechtliche Grundlage für ihre rechtliche Einordnung fehlt, ist eine klare Vereinbarung zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber unbedingt anzuraten.

Die Verbreitung von mobile work ist hinlänglich klar dokumentiert. Etwa berichtet das ifo in einer eigenen Studie aus dem Jahr 2022 Folgendes: „Homeoffice setzt sich durch – aber nicht überall“. Nach dieser Studie wurden besonders in der Unternehmensberatung, der IT-Dienstleistung, Werbung und Marktforschung sowie bei den Freiberuflern mit wissenschaftlichen und technischen Tätigkeiten das Arbeiten im Homeoffice besonders stark genutzt. Die Möglichkeit, im Homeoffice zu arbeiten, nutzten die Arbeitnehmer in der Unternehmensberatung und in der IT zu 72,5% bzw zu 71,7%. Bei den Arbeitnehmern in der Marktforschung und bei den Arbeitnehmern von Freiberuflern lag im Jahr 2022 der Homeofficeanteil bei 60,4% bzw bei 59,96%. Hingegen wurde in der Gastronomie, Beherbergung und in den Wach- und Sicherheitsdiensten kaum im Homeoffice gearbeitet.

Die erwähnte Studie macht etwas ersichtlich, was vermutlich den Meisten ohnehin hinlänglich bekannt ist: Es ist nicht jede Branche und Tätigkeit für ein ortsungebundenes Arbeiten geeignet. Wenn dem aber so ist, dann kann man Tätigkeiten, die man als Arbeitnehmer nicht zwingend in der Arbeitsstätte verrichten muss, auch kurzfristig selbst vom Ausland aus in der Form von workation erbringen: Genau dieser Bereich ist der klassische Anwendungsfall dieser Beschäftigungsform.

Die Flexibilisierungswünsche sind sehr unterschiedlich

Es ist festzuhalten, dass die Flexibilisierungswünsche nicht nur sehr branchenabhängig sind, sie sind auch altersabhängig, denn erfahrungsgemäß legen jüngere Arbeitnehmer einen größeren Wert auf Flexibilität im Arbeitsleben als ältere Arbeitnehmer. In den Bereichen Information, Kommunikation und Dienstleistung ist es in aller Regel möglich, die zu erbringenden Leistungen fast vollständig orts- und zeitunabhängig zu erledigen. Diese objektive Möglichkeit eines vollständigen Arbeitens in Form von mobile work steht aber nicht im Widerspruch zum geäußerten Wunsch, dass der Großteil der Arbeitnehmer trotzdem gewisse Kernarbeitszeiten haben möchte.

Sozialrechtliche Fragen

Mobile work mit Auslandsbezug wirft wichtige sozialrechtliche Fragen auf, geht es doch im ersten Schritt um die Bestimmung der anzuwendenden Sozialrechtsordnung: Je nachdem, welches nationale System der sozialen Sicherheit zur Anwendung gelangt, sind damit u.U. auf Seiten des Arbeitgebers nicht unerhebliche Verwaltungskosten für die unternehmensinterne administrative Verwaltung sowie unterschiedliche Kosten an zu leistenden Beiträgen zum jeweiligen zuständigen System der sozialen Sicherung verbunden. Innerhalb des Anwendungsbereichs des Unionsrechts (samt EWR-Staaten und Schweiz) gibt es zumindest klare Regelungen, die zur Anwendung der Rechtsvorschriften nur eines Staates führen, sowie die Möglichkeit, im Wege des Art. 16 VO 883/2004 abweichende Sonderregelung für Einzelfälle zu versuchen. Speziell bei Telearbeit bringt das Unionsrecht relativ großzügige Regelungen, die im Einzelfall eine Beibehaltung des Rechts des Staates des Betriebssitzes ermöglichen. Im Unionsrecht bringt auch die Bescheinigung A 1 für den Leistungswerber eine größtmögliche Rechtssicherheit.

Bei Sachverhalten mit Drittstaaten sollte der Arbeitgeber dagegen jedenfalls, bevor er einem Flexibilisierungswunsch nachkommt, die maßgeblichen Rechtsvorschriften des Beschäftigungsstaates vorweg klären. Es gilt sowohl das Fehlen eines sozialrechtlichen Schutzes zu vermeiden als auch eine mögliche doppelte Beitragspflicht, dann nämlich, wenn beide in Frage kommenden Staaten eine beitragsrechtliche Zuständigkeit für sich beanspruchen.

Bloße Saldenaufzeichnung der Arbeitszeit

Das österreichische Arbeitszeitrecht bringt dem Arbeitgeber bei mobile work mit § 26 Abs 3 AZG eine wesentliche Erleichterung, weil nach dieser Bestimmung für Arbeitnehmer, die Arbeitszeit und Arbeitsort weitgehend selbständig bestimmen können oder ihre Tätigkeit überwiegend in ihrer Wohnung ausüben, bloße Saldenaufzeichnungen über die Dauer der Tagesarbeitszeit geführt werden dürfen. Meines Erachtens ist diese Regelung auch unionsrechtskonform.

Verantwortlichkeit des Arbeitgebers für das Arbeitszeitrecht

Im Arbeitszeitrecht werden vor allem die gesetzlichen Pausenzeiten sowie die täglichen und wöchentlichen Ruhezeiten nach dem AZG und dem ARG bei mobile work ein großes praktisches Problem darstellen: Es sind gerade die individuellen Arbeitnehmerwünsche nach hoher Arbeitszeitflexibilität und der individuelle Wunsch nach großer Freiheit in der flexiblen Arbeitswelt, die in einem kaum auflösbaren Spannungsverhältnis zum AZG und zum ARG stehen. Es bleibt dabei in der klaren alleinigen Verantwortung des Arbeitgebers, dass die Arbeitnehmer diese Vorschriften einhalten, indem der Arbeitgeber ein wirksames Kontrollsystem etabliert.

Arbeitszeit-Richtlinie

Ein Vergleich mit dem geltenden österreichischen Arbeitszeitrecht zeigt, dass die Arbeitszeit-Richtlinie (AZ-RL) bei mobile work ein Mehr an Flexibilität zulassen würde. Es wäre de lege ferenda eine Anpassung des nationalen Rechts unter Wahrung der ohnehin strengen Vorkehrungen des Unionsrechts zur Sicherung der legitimen Schutzbedürfnisse der Arbeitnehmer durchaus möglich.

Bereits Art. 5 Abs 2 AZ-RL würde erlauben, die wöchentliche Ruhezeit gesetzlich abweichend zu regeln, sofern klare Schutzvorkehrungen zugunsten der Arbeitnehmer vorgesehen werden. Von den bestehenden Modellen für eine Abweichung passt meines Erachtens am ehesten die Ausnahme gemäß Art. 17 Abs 1 AZ-RL für AN, welche die Arbeitszeit selbst festgelegen können oder die Delegation einer Ausnahmemöglichkeit an die Sozialpartner gemäß Art. 18 AZ-RL. Beide Regelungen ermöglichen ein Abweichen von den Vorschriften der AZ-RL zur täglichen Ruhepause und zur wöchentlichen Ruhezeit. Die Abweichungsmöglichkeit gemäß Art. 17 Abs 1 AZ-RL wäre dabei weiter, da auch von der wöchentlichen Höchstarbeitszeit gemäß Art. 6 AZ-RL abgewichen werden könnte.

Mehr an Flexibilität durch freien Dienstvertrag

Nun wird das geltende Arbeitszeitrecht als erhebliches Hindernis für eine Arbeitszeitflexibilisierung wahrgenommen, die allenfalls drohenden Verwaltungsstrafen werden als abschreckend und damit als Hindernis für die Einführung eines betrieblichen Systems einer Arbeitszeitflexibilisierung angesehen.

Grundsätzlich wäre es denkbar, die Flexibilisierungswünsche von Arbeitnehmern dadurch zu erfüllen, dass für die Dauer von längeren Phasen von mobile work der Arbeitsvertrag unterbrochen (entweder karenziert oder auch vollbeendet, dann allenfalls mit Wiedereinstellungsvereinbarung) und für die Dauer der Arbeit in mobile work ein freier Dienstvertrag abgeschlossen wird. Der große Vorteil dieser Konstruktion ist die Nichtgeltung der Schranken des Arbeitszeitrechts. Dabei wäre es auch ohne weiteres möglich, in Bezug auf die Ansprüche den ehemaligen Arbeitnehmer weitestgehend so zu stellen wie einen echten Arbeitnehmer.

Der zentrale praktische Einwand geht dahin, dass große Sorgfalt darauf aufzuwenden ist, dass auch in tatsächlicher Hinsicht der Vertrag ohne persönliche Abhängigkeit abgewickelt wird. Nur dann liegt ein freier Dienstvertrag vor und – weil eine selbständige Tätigkeit vorliegt – die Tätigkeit würde nicht dem Arbeitszeitrecht unterliegen. Letztlich wird entscheidend sein, ob der ehemalige Arbeitnehmer und nunmehrige freie Dienstnehmer wirklich darin frei ist, ob er die angebotenen Aufträge durchführt oder sanktionslos ablehnen kann. Bei dieser Abgrenzungsfrage wird auch das Gesamtbild eine Rolle spielen, insbesondere, wie diese zeitlichen Phasen voneinander abgegrenzt sind.

Schlussfolgerung

Was kann man nun dem nationalen Gesetzgeber empfehlen? Jedenfalls mehr an Mut bei der Nutzung der bereits nach dem Unionsrecht möglichen Ausnahmen von der AZ-RL. Gerade bei mobile work gäbe es wirksame Sicherungen, die einerseits den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer wahren könnten und andererseits eine gewisse Flexibilisierung ermöglichen könnten.

Arbeitgebern ist anzuraten, bei mobile work jedenfalls § 26 Abs 3 AZG zu nutzen. Weiters könnten sie bei längeren Phasen von mobile work auch die Vereinbarung eines freien Dienstvertrags überlegen, sofern sie den Mut bzw. das Vertrauen haben, die dafür nötigen Freiheiten nicht nur im Vertragstext zu Papier zu bringen, sondern auch in der Vertragspraxis diese Freiheiten zu leben.

Der Autor

Univ.-Prof. Dr. Reinhard Resch

Univ.-Prof. für Medizinrecht, Arbeitsrecht und Sozialrecht, Institutsvorstand

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Blog-Serie: Strategische Ansätze zur Auflösung von Personalengpässen

In Zeiten, in denen Personalengpässe zunehmend zum unternehmenskritischen Problem avancieren, sind strategische Ansätze zur Lösung dieser Herausforderung von höchster Bedeutung. In unserer Themenserie beleuchten wir in den nächsten Wochen und Monaten verschiedene Schlüsselaspekte, die Unternehmen in Angriff nehmen können, um dem Mangel an qualifizierten Mitarbeitern entgegenzuwirken.

Wir werfen einen Blick auf die Bedeutung einer flexiblen Unternehmens- und Führungskultur sowie einer ganzheitlichen Unternehmens- und Personalstrategie. Darüber hinaus werden die Rolle der Organisation, Prozesse und Outsourcing, sowie die Integration von Tools, Digitalisierung und Flexibilisierung diskutiert. Potenziale identifizieren, gezielt positionieren und weiterentwickeln, umfassen einen weiteren zentralen Punkt. Dabei werden flexible, gut ausgebildete und vielseitig einsetzbare Mitarbeiter und „Schätze“ wie Lehrlinge, Schulabbrecher, Azubis 50+, Global Talents, Pensionisten und die Integration beeinträchtigter Personen in den Fokus gerückt. Abgerundet wird die Serie durch einen Blick auf Smart & Professional Recruitment sowie die Bedeutung von Employer Branding und Personalmarketing in diesem vitalen Kontext.

Bildquellen
TRESCON, JKU

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