Fehlerkultur: Wer war's?
Was können Unternehmen aus Fehlern lernen? Dr. Barbara Covarrubias Venegas (Secretary General der IACCM/Sitz WU Wien und Researcher an einer Hochschule in Österreich) forscht zu dieser Frage. Ihre Antworten finden Sie in diesem Blogbeitrag.

Wo Menschen arbeiten, passieren Fehler und mit Fehlern wird von jeher sehr unterschiedlich umgegangen. Konstruktiv Fehler zu erkennen und diese – womöglich – schon im Vorfeld zu vermeiden, ist eine schwierige, aber nicht unbedingt unlösbare Aufgabe. Führungskräfte können gemeinsam mit den Mitarbeiter/innen Fehler systematisch erfassen, analysieren und nach möglichen Lösungen suchen, dabei gleichzeitig eine motivierende Kultur des Vertrauens schaffen, was wiederum eine Grundvoraussetzung für einen produktiven Umgang mit Fehlern ist (Keith & Frese 2010). Denn, Fehler zu machen ist essenziell um voranzukommen. Die Geschichte der Marke Post-it® zeigt uns sehr anschaulich, dass ein eigentlich gründlich misslungener Versuch einen Superkleber zu entwickeln, letzten Endes zu einem Welterfolg wurde. Der folgende Beitrag diskutiert mögliche Ansatzpunkte auf organisationaler, Team- und individueller Ebene.
Suche nicht nach Fehlern, suche nach Lösungen! (Henry Ford)
In vielen Unternehmen fehlt das Vertrauen, offen über Fehler zu sprechen. Das kann fatale Folgen haben, weil Innovationen ausbleiben. Klar ist, dass in Risikobereichen wie beispielsweise im Gesundheitswesen oder der Luftfahrt ein Null-Fehler-Anspruch gelebt wird, welcher auch aufgrund der Konsequenzen nachvollziehbar ist. In allen anderen Bereichen ist es wesentlich eine gewisse Fehlertoleranz/Fehlerfreundlichkeit aktiv zu leben. Immer öfter wird bewusst von einer „Fehlermanagementkultur“ gesprochen, denn es kommt auf den Umgang mit Fehlern an (Zapfe et al. 1999). Zum produktiven Umgang mit Fehlern gehören folgende vier Aspekte:
Wie können wir nun in Organisationen eine produktive Fehlerkultur implementieren?
Um als Unternehmen eine produktive Fehlerkultur zu schaffen, ist es zunächst wichtig, sich auf Organisationsebene mit dem Thema Fehlerkultur zu befassen. Fehlertransparenz, ein detaillierter Einblick in Fehler und ein offener Dialog in der Organisation über Fehler sind demnach notwendige Voraussetzungen, um voneinander und beispielsweise auch von anderen Abteilungen innerhalb der Organisation zu lernen. Die Lernfähigkeit einer Organisation erhöht sich immens, wenn geschehene Fehler analysiert und in einem weiteren Schritt auch daraus gelernt wird. Sehr oft können Fehler verhindert werden, indem auch bereits über kleine Geschehnisse, sozusagen Beinahe-Fehler gesprochen wird. Zu häufig geht es eher um Schuldzuweisungen, als wirklich um die Suche nach Lösungen, oder man verharrt/erstarrt oft in der Schuldfrage (Herzig 2017).
Von Fehlern anderer Lernen, aber wie? Ein möglicher Starpunkt!
Mittleres Management und Führungskräfte spielen eine unglaublich wichtige Rolle bei der Schaffung einer produktiven Fehlerkultur. Ihr Verhalten und ihre Reaktionen auf Fehler sind entscheidend dafür, wie mit Fehlern in der Organisation letztendlich umgegangen wird.
Dies führt zu einer Unternehmenskultur, welche Fehlern gegenüber eher negativ oder eher aufgeschlossen gegenüberstehen, weil Fehler eben als unvermeidlich angesehen werden (Zapfe et al. 1999). Daher sollte ausdrücklich kommuniziert werden, dass Offenheit gegenüber geschehenen Fehlern belohnt wird und niemals zu Bestrafung oder Beschuldigung führt, während die Verschleierung von Fehlern ganz klar als negativ gesehen wird.
Ein wesentliches Instrument, um den Dialog über Fehler anzuregen, sind bspw. Veranstaltungen oder Teammeetings, in denen die Geschäftsführung selbst und Führungskräfte über die eigenen Fehler sprechen. In Österreich werden bspw. von der Plattform FuckUp Nights Events veranstaltet, wobei es – basierend auf dem Motto „We Live Life Without Filters“ darum geht, von Fehlern anderer (Unternehmen) zu lernen. Bei diesen Veranstaltungen berichten sowohl Startups als auch etablierte Unternehmen offen vor Publikum über ihre gescheiterten Projekte – was sie daraus gelernt und was sie im nächsten Anlauf besser gemacht haben. Somit findet ein Wissenstransfer, der letztlich der gesamten Wirtschaft zugutekommt. Nach diesem Vorbild könnten sozusagen „Organisationale Fuckupnights“ in den Unternehmen veranstaltet werden. Wichtig auch hierbei die Betitelung an die organisationale Realität anzupassen.
Führungskräfte sollten jedenfalls angeregt werden ein Umfeld zu schaffen, welches Feedback in jeglicher Art wie bspw. zu Prozessproblemen, bzw. neue Ideen fördert. Zum Beispiel kann durch eine solche offene Diskussion im Rahmen von monatlichen Meetings analysiert werden, ob ähnliche Prozesse oder ähnliche Auslöser auch in anderen Abteilungen oder Teams zu ähnlichen Situationen führen, bzw. wie dort damit umgegangen wird. Ein abteilungsübergreifendes Arbeiten im Team führt weiterhin auch zu Wissenstransfer und einer besseren Vernetzung innerhalb der Organisation (Schüttelkopf 2007).
Als wesentlich ist ebenso zu beachten, dass eine „Ermutigungskultur“, welche einen produktiven Umgang mit Fehlern fördert, über eine positive Grundausrichtung und eine dementsprechende Sprache verfügt. Dabei wäre eine Frage wie bspw. „Was ist heute falsch gelaufen?“ eher wie folgt zu formulieren „Was ist heute gerade nochmals gut gegangen?“ Mit einer solch formulierten Frage kann aus potenziellen Fehlern gelernt werden. Ähnlich bei einem passierten Fehler oder Beinahe-Fehler könnte eher gefragt werden „Warum erschien dir das sinnvoll?“ als „Warum hast du das gemacht?“, wobei letzteres eben eher auf bösen Willen oder Inkompetenz schließen lässt, während erstere thematisiert, dass ein Fehler oft erst im Nachhinein als solcher erkannt wird (Herzig 2017).
Instrumente, die einen produktiven Umgang mit Fehlern fördern
- Fehler vermeiden
- Qualitätsmanagement-Systeme & Prozessbeschreibungen
- Konzepte & Checklisten
- Fehler(anonym) melden
- Critical Incident Reporting System
- Vorschlagswesen
- Fehler für die Qualitätsentwicklung & Lernen nutzen
- Thematisierung in Teamsitzungen, Nachbesprechungen, Debriefings, Lessons Learned, Supervision oder Intervision
- Workshops zur Qualitätsentwicklung, die es erlauben, zu lernen um Arbeitsprozesse, Instrumente und auch Strukturen zu verbessern (z. B. Qualitätszirkel)
Fazit
Klar ist, dass in Risikobereichen ein Null-Fehler-Anspruch gelebt wird, welcher auch aufgrund der Konsequenzen nachvollziehbar ist. In allen anderen Bereichen ist es wesentlich eine gewisse Fehlertoleranz/Fehlerfreundlichkeit aktiv zu leben. Dies bedeutet wiederum die „Täter-Opfer-Denkweise“ aufzubrechen, die Nicht-Kommunikation von Fehlern unbedingt zu vermeiden, sowie in allen Fehlerangelegenheiten Gesprächsbereitschaft zu signalisieren.
Studien zeigen, dass nicht nur verbesserte Prozesse und Abläufe oder gut geschulte Mitarbeiter/innen zu einer Fehlerreduktion beitragen. Die soziale Komponente, also einerseits die Motivation der einzelnen Mitarbeiterinnen aber auch eine gute Zusammenarbeit sind wesentliche Einflussfaktoren (Keith & Frese 2010).
Wer aufhört, Fehler zu machen, lernt nichts mehr dazu. (Theodor Fontane)
Literatur
- Herzig, Michael (2017): Fehlerkultur: Was ist ein produktiver Umgang mit Fehlern? White Paper, Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften, Institut für Sozialmanagement.
- Zapf, Dieter/Frese, Michael/Brodbeck, Felix C. (1999): Fehler und Fehlermanagement. In: D. Frey, C. Graf Hoyos & D. Stahlberg. Arbeits- und Organisations-Psychologie, Weihneim: Beltz Verlag, S. 398-411.
- Schüttelkopf, Elke M. (2007): Erfolgsstrategie Fehlerkultur! Wie Organisationend durch einen professionellen Umgang mit Fehlern ihre Performance optimieren.
- Keith, N., & Frese, M. (2010): Enhancing firm performance and innovativeness through error management culture. In N.M. Ashkanasy, C.P.M. Wilderom & M.F. Peterson (Eds).), The handbook of organizational culture & climate (2nd ed., pp. 137-157). Thousand Oaks, CA: Sage.
Dr. Barbara Covarrubias Venegas ist Researcher an einer Hochschule in Österreich, studierte und arbeitete in Österreich, Spanien, Italien, Chile und Mexiko. Sie war langjähriges Vorstandsmitglied von SIETAR Austria und SIETAR Europa, und ist Secretary General der IACCM/Sitz WU Wien. Barbara entwickelte das Neue Arbeitswelten DNA Reifegradmodell, welches in Unternehmen als Messinstrument zur Standortbestimmung in allen essentiellen DNA-Dimensionen eingesetzt wird.
Forschungs- und Vortragsschwerpunkte: Neue Arbeitswelten (insbesondere agile Strukturen, Führung und Zusammenarbeit & Fehlerkultur), Digital Leadership, Altersdiversität, Lebensphasenorientierung, Organisationskultur & Interkulturelles Management.
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